"KOSTÜM IST BEWEGUNG"
Für die Kostüme im vierteiligen „Ring des Nibelungen“ ist Kostümbildner Andy Besuch verantwortlich. Details verrät er traditionsgemäß nicht. Aber: „Wer mich engagiert, weiß immer: Es wird etwas fürs Auge, es wird immer geschmackvoll.“
von Regina Ehm-Klier
Wie entsteht der Stil der Kostüme oder haben Sie einen bestimmten Stil?
Ich bin ein Kostümbildner, der seine eigne Handschrift hat, der aber dennoch historisch, modern, expressiv und futuristisch beherrscht. Ich mache auch Film und Wer- bung. Also unterschiedliche Richtungen. Ich möchte mich in keine Schublade pres- sen lassen, ein einziger Stil würde mich langweilen. Wer mich engagiert, weiß aber immer: Es wird etwas fürs Auge, es wird immer geschmackvoll. Wir haben diese wunderbare Musik, da mag ich nicht den Alltag abbilden, sondern muss überhöhen.
In welche Richtung kann man sich die Kostüme in diesem „Ring“ vorstellen?
Es wird ästhetisch (lacht). Ich feiere insbesondere die Weiblichkeit dieser Sänger. Denn oft sehen Frauen auf Opernbühnen schrecklich aus. Ich sage immer, man muss die Körper der Sän- gerinnen verstehen und richtig anziehen können und keine Säcke überhängen, wie das so oft der Fall ist.
Die Zahl der Sänger im „Ring“ ist über- schaubar. Dafür gibt es vier Stücke. Wie groß ist der Aufwand?
Ja, das denkt man immer, dass es nur wenige Figuren im „Ring des Nibe- lungen“ sind. Aber: Es handelt sich durchwegs um Hauptfiguren. Wir haben also nicht die Konzentration auf wenige Hauptrollen und einen Einheitschor, wie in anderen Werken. Da kann man nichts wegschummeln. Und verschiedene Figu- ren treten in mehreren Stücken im Ring auf. Hier muss man sich auch überle- gen, wer wem begegnet, wie das zusam- mengeht. Mime hat zum Beispiel drei bis vier Kostüme. Und bei den Walküren
hatte ich keine Lust auf Einheitsbeklei- dung, sie sind alle individuell gekleidet.
Wird man dann Rüstungen oder Brust- panzer sehen?
(Überlegt)... Nein, wird man nicht!
Wie geht es Ihnen so kurz vor der Pre- miere? Sind Sie nervös oder zufrieden?
Ich bin nicht mehr nervös, nein! Es pas- sieren die Dinge, wie sie passieren. Wir arbeiten seit drei Jahren an dieser Pro- duktion. Alle Sängerinnen und Sänger machen super mit und lassen sich vom Kostüm inspirieren. Und ich lasse mich auch von ihnen inspirieren. Man muss immer mit dem Typ Mensch arbeiten, den man vor sich hat, plus den Fokus auf das Konzept behalten.
Sie arbeiten seit drei Jahren an diesem Ring, hat sich in dieser Zeit noch etwas in den Kostümen verändert?
Wir hatten drei Musteranproben 2019, dann kam schon Corona. Aber es wird in den kommenden Jahren wieder Neu- oder Umbesetzungen geben, darauf muss man vorbereitet sein. In diesem Jahr bin ich happy, weil die Entwürfe ex- akt für die Sänger passen. Iréne Theo- rin (Brünnhilde) kam zu einer Probe mit einer privaten hammerstarken Hose – die habe ich dann auch für das Stück übernommen. Weil Valentin Schwarz sehr filmisch und sehr schauspielerisch inszeniert, gehe ich schon mal vom ur- sprünglichen Kostümentwurf ab, wenn es besser zur Person und Szene passt. Oder einfach nicht am Original-Körper funktioniert. Ich habe bei einer Walküre festgestellt, dass ihr Kostüm einfach nicht gut aussah – so ehrlich muss man
zu sich selber sein. Also: Schere her!
Wo findet man die Stoffe?
Weil ich arbeite, wie ich arbeite, kann ich nichts stumpf aus dem Katalog be- stellen. Wir haben sehr viele Stoffe aus Frankreich, aus Italien, England. Für Loge haben wir zum Beispiel einen Stoff in England weben lassen. Also es steckt ein großer Aufwand dahinter. Denn es ist auch zu beachten, dass wir den Stoff nicht für ein einzelnes Kostüm benötigen, sondern große Mengen für neue Anferti- gungen bei Umbesetzungen und Neube- setzungen. Diese großen Metragen, es können schon mal 500 Meter sein, sind in Deutschland schwer zu haben.
Worauf muss man bei Sängerkostümen besonders achten?
Hier vor allem die Hitze. Wir bemühen uns, nicht sichtbare Teile, wie Ärmel oder Rücken mit Netz auszutauschen, damit man so wenig Lagen wie möglich hat. In ein Statistenkostüm haben wir Kühlakkus eingebaut. Es gibt von einzelnen Kostüm- teilen auch immer dreifach- Ausführun- gen, damit sich die Sängerinnen und Sän- ger zwischendurch umziehen können. Bei den Materialen ist darauf zu achten, dass sich die Kostüme gut mitbewegen. Ich sage immer: Im Kostüm ist Bewegung!
Kann man „von der Stange“ kaufen – oder wird tatsächlich alles neu angefertigt? Wir haben hier ein T-Shirt oder da ein Hemd, das wir einkaufen. Aber auch da stellt sich bei der Anprobe immer her- aus, dass es nicht perfekt ist und geän- dert werden muss. Es geht um die Funk- tion. In der Oper machen wir ästhetische Funktionskleidung. (lacht)